Würdigung

Jubiläum 15 Jahre Mädchenpower in Graubünden vom 30. Mai 2013 an der Pädagogischen Hochschule Graubünden

Ansprache von Martin Jäger, Regierungsrat

Sehr geehrte Damen und Herren


Ich freue mich sehr, bei Ihrem Jubiläum die Eröffnungsansprache halten zu dürfen.


15 Jahre Mädchenpower in Graubünden: In meinen durch Alter und andere widrige Umstände schon ziemlich schwach gewordenen Ohren klingt das kräftig und optimistisch. Mädchen zu stärken, ihr Selbstbewusstsein zu wecken und ihnen aufzuzeigen, dass ihnen und ihren persönlichen Grenzen Respekt gebührt – das ist wahrlich eine grosse Aufgabe.


Dass Sie – und damit spreche ich die Projektleitung und die Wen-Do-Trainerinnen an – dies in Graubünden nun bereits seit 15 Jahren tun und dabei um die 1300 Mädchen in unserem Kanton erreicht haben, ist ein hervorragendes Ergebnis, eine grosse Leistung. Es zeugt von grossem Engagement, von einem langen Atem. Dazu gratuliere ich Ihnen und danke im Namen der Bündner Regierung ganz herzlich. Und ich weiss durchaus, wovon ich spreche, hat doch meine Frau als Lehrerin schon vor etlichen Jahren zusammen mit den Mädchen ihrer Schulklasse, ihres Schulhauses, von Ihrem Angebot mehrmals profitiert. Und fast jedes Mal berichtete sie mir nachher Zuhause mit grosser Begeisterung.


Ich danke Ihnen vor allem auch in meiner Funktion als Vorsteher des Erziehungs-und Schulwesens in Graubünden. Mir ist als oberstem Verantwortlichen für die Schulen des Kantons sehr bewusst, dass Wissensvermittlung zwar die vornehmste Aufgabe der Schule ist. Die Schule hat jedoch ebenso die Funktion einer „Lebensschule“ und steht damit auch in der Verantwortung für das Lernen, wie man im Alltag miteinander umgeht. Und hier gilt als oberstes Prinzip: Respekt. Respekt vor den persönlichen Grenzen anderer. Gleichzeitig aber auch das Wissen um die eigenen persönlichen Grenzen.


Respekt lehren und Respekt lernen – das gehört in die Schule. Damit meine ich natürlich nicht nur den Respekt vor den Lehrpersonen. Damit meine ich auch die Achtung der Schülerinnen und Schüler untereinander – und – der Lehrpersonen gegenüber den Schülerinnen und Schülern.

Im neuen Bündner Schulgesetz, das demnächst in Kraft tritt, ist das entsprechende Bildungsziel wie folgt formuliert (ich zitiere): "Die Schule unterstützt die Kinder und Jugendlichen in ihrer Entwicklung zu eigenständigen Persönlichkeiten, beim Erwerb sozialer Kompetenzen sowie auf dem Weg zu verantwortungsvollem Verhalten gegenüber Mitmenschen und Umwelt". Geschätzte Zuhörende, im ersten Bündner Mädchenparlament vom November 2012 wurde von einem Mädchen aus Sedrun eine Petition an den Grossen Rat angeregt. Die junge Frau schilderte eindrücklich, wie Jugendliche Opfer von sogenanntem Cybermobbing werden können. Sie erzählte, wie schwierig es ist, sich dagegen zu wehren. Und sie regte an, dass an allen Schulen Ansprechpersonen tätig sein sollen, um Betroffene zu beraten. Diese Petition wird in der bevorstehenden Juni-Session auch im politischen Grossen Rat traktandiert.


Ich durfte als Vertreter der Regierung im November in jenem 1. Bündner Mädchenparlament Einsitz nehmen und war sehr beeindruckt vom Mut dieses Mädchens, ein so schwieriges Thema öffentlich zu machen.
Ich war aber auch beeindruckt, wieviele andere Mädchen sich zu Wort meldeten, um die Petitionärin zu unterstützen. Es würde mich nicht wundern, wenn sie einst einen Wen-Do-Kurs besucht hätten und gerade dort dazu ermutigt wurden, sich gegen diese moderne Art der Grenzverletzung zu wehren. Die massenhafte Verbreitung sozialer Medien und deren Missbrauch zu Übergriffen ist eineTatsache. Aus meiner Sicht ist dies allerdings eine Neuauflage alter Muster: das Ausnützen von Vertrauen, die Ausübung von Macht und das Verbreiten von Angst gegenüber schwächeren Mitgliedern der Gesellschaft, vor allem auch von Kindern. Und Mädchen sind davon – früher wie heute – speziell betroffen. Zwar bin ich in meiner Amtszeit bisher – zum Glück – noch nie mit Fällen von Grenzüberschreitungen gegenüber Mädchen in der Schule direkt konfrontiert worden. Das bedeutet jedoch nicht, dass es sie nicht gibt.

 

Sexistische Bemerkungen, Anspielungen auf das Aussehen und Beleidigungen kamen und kommen, früher und heute, leider vielzu häufig vor, auf den Pausenplätzen oder nun auch im modernen Cybernetz, weltweit einsehbar. Es ist eine höchst bedauerliche Tatsache, dass durch Filme, Werbung, Internet und eben neuerdings auch in den sozialen Medien Frauen- und Mädchenbilder transportiert und salonfähig gemacht werden, die verachtend und abwertend sind.
Empfänglich dafür sind natürlich ganz besonders die Heranwachsenden. Sprache und Umgang der Jugendlichen untereinander werden davon oft stark geprägt. Dies zeigte sich unter anderem auch bei der Durchführung des Projekts „Respekt im Treff“, das – wie das Bündner Mädchenparlament – von der Stabsstelle für Chancengleichheit von Frau und Mann – diese Stelle gehört zu meinem Departement – mit Fachleuten der Sozialarbeit entwickelt worden ist. In geschlechtergetrennten Workshops wurde in Jugendtreffs diskutiert, wo die Unterschiede zwischen Anmache und Flirt liegen. Was akzeptabel ist, und wofür es null Toleranz gibt. Die Jugendlichen lernten dabei, dass Respek Pflicht für alle ist, Pflicht für alle sein muss. Dass ein „Nein“ wirklich nein heisst und nicht „vielleicht“.

Geschätzte Zuhörende, für mich ist ganz klar: Kinder haben das Recht, in Sicherheit und Geborgenheit aufzuwachsen. Wir Erwachsene haben dafür zu sorgen, ihr Selbstvertrauen zu stärken. Wir Erwachsene haben die Pflicht, ihre körperliche und seelische Unversehrtheit jederzeit zu respektieren - auch hier gibt es keine Toleranz für Grenzverletzungen. Als politisch Verantwortliche haben wir die Möglichkeit und die Pflicht, auf Gesetzesebene zu handeln. Genauso wichtig ist aber, dass wir alle als Mitglieder der Zivilgesellschaft Courage und Rückgrat zeigen, uns engagieren. So, wie Sie es ebenmit Ihrer Initiative für Mädchenpower in Graubünden getan haben und weiterhin tun. Ich ermutige Sie, Ihre wertvolle Arbeit zur Stärkung der Mädchen in unserem Kanton weiterzuführen. Ihnen allen – und damit komme ich zum Begriff Respekt zurück - gebührt mein Respekt!

Chapeau!